Angriff auf die Moderne

Der Expressionismus im Nationalsozialismus

Die nationalsozialistische Kulturpolitik nahm ihre Anfänge bereits 1930 in Thüringen noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die NSDAP war bei den Landtagswahlen Ende 1929 zweitstärkste Kraft geworden und begann schon kurze Zeit später, nach der Implementierung eines ihrer Ideologie entsprechenden Innen- und Kultusministers, mit den ersten Aktionen gegen moderne Kunst. 1933 wurden schließlich zahlreiche Künstlerinnen und Künstler von ihren Lehrtätigkeiten und Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker aus Museen entlassen. Möglich wurde dies durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. Erste sogenannte Schandausstellungen stellten moderne und avantgardistische Kunst aus Museumsbesitz ab 1933 an den Pranger. Unter dem Titel Regierungskunst 1918–1933 fand die erste Ausstellung in Karlsruhe statt. Es folgten Ausstellungen in Stuttgart, Dessau, Nürnberg, Dresden, Mannheim, Chemnitz und Breslau mit unterschiedlichen Titeln wie Schreckenskammer oder Kulturbolschewismus. Im September 1933 wurde von Joseph Goebbels die Reichskulturkammer gegründet. Kunstschaffende mussten eine Mitgliedschaft beantragen und aufgenommen werden, ansonsten war ihnen die berufliche Tätigkeit als Künstlerin oder Künstler quasi unmöglich, was einem Berufsverbot gleichkam. In den folgenden Jahren wurden immer wieder Kunstwerke beschlagnahmt, teilweise verkauft oder gar vernichtet. Ihren traurigen Höhepunkt nahm die nationalsozialistische Kulturpolitik 1937 als parallel zur Großen Deutschen Kunstausstellung, die vom Regime erwünschte und den Ideologien entsprechende Kunst versammelte, die Schandausstellung Entartete Kunst in den Münchner Hofgartenarkaden gezeigt wurde. Innerhalb kürzester Zeit wurden rund 800 »Werke deutscher Verfallskunst seit 1910« bei sogenannten Säuberungsaktionen aus öffentlichen Sammlungen beschlagnahmt, 600 davon wurden in der Ausstellung als entartet diffamiert. Insgesamt wurden in diesem Jahr rund 16.000 Werke aus öffentlichem Besitz konfisziert.

Über einige Jahre wurde auf Grundlage der NS-Ideologie diskutiert, was als »deutsche« Kunst gelten könne. Der Expressionismus wurde zeitweise sogar als eben solche gefeiert. Dieses Paradoxon ergibt sich aus Diskursen über expressionistische Tendenzen, die bereits zu Beginn geführt wurden: Auf der einen Seite steht eine internationale Haltung, die den Einfluss der französischen Fauvisten und Kubisten einbezog und den Expressionismus als gesamteuropäisches Phänomen begriff – Cézanne und Matisse galten als Urväter, der Kreis um den Blauen Reiter als deutsche Vertreter. Auf der anderen Seite zeigt sich eine nationale Haltung, die den Expressionismus als »nordisch« und »deutsch« definierte – als Vorläufer galten hier Vincent van Gogh sowie Edward Munch und die Künstlergruppe Brücke als Inbegriff des Expressionismus.

Bis heute lässt sich keine klare Grenze zwischen deutscher und entarteter Kunst ziehen. Diffamiert wurde dort, wo es der Ideologie der Nationalsozialisten dienlich war. Der Kunsthistoriker Franz Roh hat einen Überblick über die verschiedenen Kategorien entarteter Kunst verfasst, aus dem ersichtlich wird, dass es »weder eine inhaltlich noch stilistische einheitliche Bestimmung gegeben hat«. Arbeiten jüdischer Künstlerinnen und Künstler fielen ohnehin in diese Kategorie, wenngleich es keine dezidiert jüdische Kunst gab.

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